An Apple a Day…

… keeps the doctor away.

And now to something completely different:

Als Hamburger war und ist es erste Bürgerpflicht anglophil zu sein. Wenigstens ein Kleinesbisschen, a little bit. So zumindest war das früher gewesen, als ich noch jung war und es noch keine EU gab. Wir trugen unsere dunkelgrünen Wachsjacken mit schwarz-grünem Innenfutter Sommers wie Winters und der beige Labrador jumpte aus dem MINI Cooper in racinggreen. Die erste Englische Redewendung: „It´s raining cats and dogs,“ die man dem Hamburger Gymnasiasten beibrachte, beschrieb Hamburger Schiet-Wetter eben. Shit und Schiet. Same, same. Denn auch unsere Wetter gleichen einander. Sehr britisch war der Regen in Hamburg, meist vornehm zurückhaltend, aber stets und immer da und von überallher kommend. Gut für den Teint oder „Täng“, wie der Hamburger sagt, und der Rasen war immer Grün, der eigene und der des Nachbarn. Man gönnt sich ja sonst nix… Nich´ so unvornehm verbrannt, wie diese Brandenburger Streusandbüchsenwiesen im Sommer immer so. Wir brauchten den Englischen Rasen, denn wir liebten Tennis, Hockey und Fußball. Außerdem ruderten die Hamburger, wie die Weltmeister, die Alster rauf und runter. Im Club unserer Wahl ließ man sich den Whiskey in braun ledernen Clubsesseln munden und die Hamburgerin, beinahe makeuplos, strich sich beim „Derby“ die frisch blond gesträhnten Haare zurück- sahen wir nicht alle ein bisschen Lady-Di-like aus? Quite a bit, I must say.

Die Briten waren es, die uns vom Naziterror befreiten, denn sie waren es, die zuerst in Hamburg ankamen und mit Freuden unterwarfen sich die Norddeutschen den Britischen Besatzern. Es hätte gar nicht besser kommen können für die schönste Stadt der Welt. Sie blieb es eben auch. Meine Großmutter flüchtete mit Neugeborenen und Schwester und Freundin nach Hamburg. Dort rückte man ´n büschen zusammen. Hamburg sein Hafen und the London Harbor, machten uns weltoffen und traditionell. Echte Arbeiter, machten ehrliche Arbeit, machten echt reiche Leute noch reicher. Echt jetzt. Große und kleinere Schiffe fuhren und fahren auf Kanälen Richtung Meer. Wir schauen hinterher. Voller Fernsucht im doch so „deepen“ Herzen. What shall we do with the drunken sailor? Antwort: Ick häf mol een Hamburger Fährmaster seh´n! Die Fähre brachte uns rüber nach England, eine Nacht lang schaukeln auf dem wilden Ärmelkanal. Fühlte sich an wie um Kap Horn segeln, lag vielleicht am steuerfreien Gin Tonic. Nordsee ist Mordsee. Same, same. Britische Jungs tragen im kurzen britischen Sommer, der normale Mensch trägt noch Gänsehaut und Wintermantel, kurze Hosen. Der Hamburger wirft sich bei ersten Sonnenstrahlen haltlos in die Sonne und trägt ganzkörper Sonnenbrille. Draußen sitzen ist angesagt, wenn ab Elbe abwärts noch die die Jacken drinnen angelassen werden. Spätestens ab April haut man sich an den Elbstrand und träumt von endlich badetauglicher Wasserqualität. Unsere Themse ist immer noch nicht so ganz ohne. Ich befreite einst einen Hummer, nur um ihn, leicht angesäuselt, also ich, nicht der Hummer von Retterlust und zuviel Astra in die Elbe zu bugsieren. Ich behauptete unerschütterlich, dass Lachse gesichtet worden seien, unlängst, in der Elbe, da kann der Hummer doch ruhig dazustossen. Karma mäßig blieb sich das glaub ich gleich… Essen oder Elbe… beides mit E. Where was I?

Und so blieb diese einzigartige Freundschaft der beiden Staaten (ja, ja Stadtstaat dann eben) erhalten. Wir Hamburger sehen das eher als Verwandtschaft. Da kann es durchaus auch mal Streitigkeiten geben, da machst du nix dran. Aber das ändert doch nichts an der tiefen Verbundenheit, die wir mit diesem seltsamen Eiland hegen und den charmanten Engelländers, mit den guten Haaren. James Herriot lehrte mich, dass ein Tweetjacket sexy sein kann, Brian Ferry hatte schiefe Zähne und war mördercool. Sowieso, die beste Musik kam stets und immer von der Insel. Zumindest 90%. Nicht vergessen bitte, für all diejenigen, die jetzt anfangen dagegen zu halten: Ozzy Osbourne ( Black Sabbath), George Michael (Wham!) und Lemmy Kilmister (Motörhead) sind oder waren Briten, um nur drei Missverständnisse auszubügeln. Iron Maiden und Led Zeppelin gar nicht mitgerechnet.

Die EU kam viel später, machte das Reisen dorthin viel einfacher, Tweetjackets für alle! Vielleicht dachten wir Dösbaddel, dass wir die EU gar nicht brauchen, wir mochten uns ja schon immer! Zu spät erkannt, dass die EU auch sexy sein kann. Und das Aufkündigen von Verbindungen ist immer ein in Frage stellen von bestehenden Beziehungen. Schluss mit lustig, heißt das in Hamburg.

Nun wage ich ja gar nicht meine anglophilen Augen nach vorn auf Brexit und Exit from Brexit und Nextbrit zu richten, denn mein anglophiles Herz schmerzt. Man möchte sich quasi über den Ärmelkanal werfen, um sich an den weißen Klippen von Dover festkrallend laut: „Stay! “ von den Shakespear Sisters zu brüllen. Text mal googeln… als hätten sie es geahnt!

Vielleicht zu emotional für Hamburger Verhältnisse, aber da möchte ich zu bedenken geben, dass der eigentliche Grund für den Brexit ja auch ein rein emotionaler zu sein scheint. Keiner kann sich emotional entziehen, wenn es um Abschiede geht. Ich bin noch nicht bereit loszulassen und hoffe insgeheim, dass das alles nur ein übler Scherz war. Und außerdem habe ich grade unheimlich Hunger auf Cheddarcheese-Sandwich mit eingelegten Zwiebeln und Salt and Vinegar Chips.

“If this world is wearing thin
And you're thinking of escape
I'll go anywhere with you
Just wrap me up in chains
But if you try to go alone
Don't think I'll understand”
“Stay”, Shakespear Sisters, 1992

Erschienen in:
How to Art – 27. März 2019