Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da. So fast. Meistens verschont uns der Wannenmonat Herbst mit allzu baldigem Einsetzen. Doch es droht das Jahr schon mit Herbstfarben, dieses bald umme Jahr. Aber, da wird es doch auch langsam Zeit, die vorgenommenen Neujahrsvorsätze noch einmal anzuschauen, vielleicht ist da ja noch der ein oder andere, noch nicht gänzlich über Bord geworfene Gedanke es wert hervor gepult zu werden unter sämtlichen Wenn und Abers und Überhaupts. Ich zum Beispiel wollte ein Buch schreiben. Herrje ist es denn schon so spät dies Jahr? Aber natürlich hatte ich eine sensationelle Idee, wirklich. Bahnbrechend. Ganz persönlich und doch vollkommen allgemeingültig. Lesenswert. Druckenswert! Ich sah es schon vor mir. Das Cover, einfach, aber besonders. Ein Sachbuch/Roman/Ratgeber mit Sex and Crime and Love and Diet and Ernährungsberater trifft auf Lustratgeber. Und Geld. Und Enthüllung. Genau. Viele Hüllen und Enthüllungen! Gar nicht aus der Hand legen hätte man es wollen. Und ich hatte schon den Anfangssatz. Ohne den ersten Satz geht ja bekanntlich gar nichts. Und danach geht alles wie von selbst. Ich hatte ganz viele erste Sätze. Ein ganzes Buch hätte man damit füllen können. Wenn es um den ersten Satz geht, bin ich Thomes Mann, Goethe, Lothar Frohwein. Krawehl, Krawehl. Trübtauber Ginst…
Und dann -unweigerlich- kommt des Kreativen Selbstzensur. Der gnadenlose Schnitter, sägt hier, mault da, verwirft und bemängelt, macht sich lustig und ist sichtlich genervt.
„Meinst du wirklich? Eeehrlich? Ey, so yesterday, deine Sprache, ey. Wen-soll´n- das-interessieren?“, und so ähnliches und so weiter…
In meinem Fall ist der grobe Schnitter eine Mischung aus meinem ersten Kunstlehrer und meiner Mutter. ( Sorry, Mum!)
Ich unterhalte mich anfänglich noch mit ihm/ihr. Verteidige hier und da. Wage mich nassforsch hervor aus meinem weltfremden Autorenkabuff und hau mal auf den Tisch. Denn jetzt reicht es, das Persönliche ist doch das Allgemeingültige, na Herrschaftszeiten! Ich klinge dann ein bisschen, wie Uwe Ochsenknecht in „Schtonk“ als Fälscher Kujau. Oder wie Reiner Langhans, je nachdem, wie mutig ich grade auf den Tisch haue.
„Mutti! Jetzt schau doch, Mutti, die Idee ist doch ganz unverfälscht, noch raw, weißte? So ganz persönlich, so echt jetzt, Mutti! Da ist diese Frau… Och komm, jetzt nicht gleich dieses Gesicht, Mutti, jetzt hör doch.“
Doch Mutti lässt sich nicht behumpsen. Die hat schon alles gelesen. Zumindest die Headlines auf der Facebook-Timeline.
„Blöd, blöd, blöd!“ sagt sie und geht schnippisch aus dem Zimmer. Da sitzt man da und schaut auf den genialen ersten Satz. Die genialsten ersten Sätze der Welt und dann der Finger so: Delete, delete, delete…
Früher hätte man die Seiten theatralisch zerknüllen und hinter sich schmeißen müssen, später seufzend in den Papierkorb werfen, dabei nochmal zweifelnd auseinanderfalten und angewidert zurückknüllen und weg damit. Heute ist sogar DAS nicht mehr filmreif. Deleten ist kinematografisch unspektakulär. Nicht mal mehr das Scheitern kommt gut. Überhaupt, Scheitern, ist ja auch voll millenial. Remember, remember the fifth of November…Aber ich arbeite daran. An dem Buch, mein ich. Ehrlich. Ich setz mich dran und dann: Also da ist diese Frau… och Mutti, ne, jetzt schon? Wie jetzt blöd? Mutti, du hast doch… du weißt doch noch gar nicht…! MUTTI! Das hab ich gesehen! Mit DEN Händen machst du Pflaumenkuchen!?“
Es ist schließlich September, da sind die Pflaumen reif… ein schöner erster Satz im Übrigen: Die Pflaumen sind reif und meine Mutter backt ihren berühmten Pflaumenkuchen… genial.
Erschienen in:
How to art – 10. Sept. 2018