Design der Auflösung

Achtung dieser Text könnte sich sofort nach dem Lesen selbst schreddern.

Keinem wird es entgangen sein, was die Kunstwelt in der letzten Zeit so an Zerstörungen hinnehmen musste.

Banksy, in dessen Kunstwerk eine Selbstzerstörungsfunktion eingebaut wurde, für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass „sein“ Bild auf einer Auktion versteigert werden würde. Dies geschah, und der eingebaute Schredder zersägte das berühmte Mädchen mit rotem Herz-Ballon, sobald der Hammer zuschlug. Und alle Anwesenden so: „OH MEIN GOTT!“ und das ging dann um die ganze Welt innerhalb von Sekunden die ganze Welt so: „OH MEIN GOTT!“, und: „Wie cool ist das denn?!“ Eine vollendete Inszenierung.

JEDER kennt jetzt dieses Bild und das geschredderte Werk, was sich nun in der unaufgelösten Auflösung befindet und deshalb mal eben das dreifache Wert sein wird. Ein Geniestreich eines Genies der Street-Art. Banksy, der Künstler ohne Person, Banksy, kann jeder sein. Banksy kann auch vererbt oder einfach weitergegeben werden. Banksy sind wahrscheinlich mehrere Künstler. Vielleicht. Die vollkommene Loslösung der Person vom Werk ist der erste Geniestreich. Ich kann es ja gar nicht oft genug betonen und habe dies ja schon einige Male in der Vergangenheit getan, diese „In-Your-Face“-Kunst ist eben der Beweis, dass Menschen Botschaften von Künstlern verstehen wollen und müssen. Und Street-Art ist umsonst. Street-Art ist Anarchie. Und Banksy, als berühmtester Vertreter dieser Zunft, begegnet der etablierten, reichen Kunstwelt mit dem Zerstörungs-Design. Nicht neu die Idee, aber die Inszenierung qua der modernen sozialen und digitalen Medien wird erst durch die Multiplikation durch die Anwesenden möglich. Und der Banksy zerstört sich nicht ganz. Aber die Frage stellt sich doch sowieso: „Was soll das?“. Wie soll denn ein Banksy zerstört werden? Wir alle waren nicht Zeuge einer Zerstörung, wir waren Zeuge einer Kreation. Der Schredder vollendet nur diese eine Street-Art Installation, die sich absurderweise in ein Auktionshaus verirrt hat.

Morgen schon finden wir das Mädchen mit dem Herzballon wieder an einem Stromkasten.

In einer Welt in der die Komiker und Late-Show Hosts die einzig ernstzunehmenden Menschen sind, weil sie den gepflegten politischen Diskurs anregen, während Politiker sich reihenweise populistisch demontieren oder schlicht keine Ahnung haben, was sie da eigentlich machen. Manager mit Millionen-Gehältern ihre Konzerne in den Abgrund wirtschaften, während ihre Lear-Jets mit laufenden Turbinen Richtung Karibik geparkt sind. Weitere Milliarden werden für Rüstung locker gemacht, obwohl keiner uns angreifen will, während Krankenstationen und Kindergärten aus Geld- und Personalmangel geschlossen bleiben, in einer Zeit, in der es Deutschland so gut wie nie geht, weil wir in Steuereinnahmen schwimmen, weil der Arbeitskräftemangel so extrem ist, dass unser System zu kippen droht, aber zeitgleich die Hetze gegen Einwanderung so laut und so widerlich ist, wie seit 70 Jahren nicht mehr, weil alte Herren (und Frauen) in alten, blauen Anzügen ihr Herrengedeck zu sich nehmen, während sie absurde Unwahrheiten herausbrüllen. Dabei sind manche so unglaublich reich, dass sie nicht wissen wohin mit ihrem Geld und deshalb kaufen sie Kunst für Millionen Dollars. Kunst, die nie zum Kauf gedacht war. Sie gehört einem nicht.

Eine Fledermaus wird zum Symbol für In-Your-Face-Absurdität, weil es gesetzmäßigen Schutz für Fledermäuse gibt, aber Klima und Volksbegehren wurscht sind, wenn absurde Konzernpolitik es so will. Weil sie weitermachen wollen, weil ihnen Menschen egal sind, weil sie noch viel, viel reicher werden wollen. Ein halb zerstörtes Werk, wird zum Symbol für die Absurdität der Gier.

Es ist absurdes Theater geworden und die Menschen mit gesundem Menschenverstand greifen sich an die Frisur, und machen einfach, was gemacht werden muss. Denn unser Planet kocht uns bald gar. Und die ganzen Manager und Geschäftsführer und Multimilliardäre sitzen dann in Schlauchboten und hoffen, dass die höher gelegenen Bergregionen in Zentralafrika Bock haben sie aufzunehmen, obwohl sie keine Facharbeiter sind und übrigens auch nie waren, denn Geld hat spontan seinen Wert verloren, als Berlin und Kansas City Küstenstädte wurden.

Es ist eben absurd, dass wir erst begreifen, was etwas ist und was etwas wert ist, wenn wir dabei zusehen müssen, wie es zerstört wird. Der Rest, der vielleicht übrigbleibt - wenn wir Glück haben- ist eben um so vieles mehr wert. Denn den Rest müssen wir schützen, während andere risikoreich spekulieren, um noch schnell noch mehr Geld zu verdienen, der Rest von uns mit gesundem Menschenverstand muss Meere, Wälder, Klima, Mensch und Tier und vor allem seinen Verstand schützen.

Denn nie dürfen wir den roten Herzballon loslassen.

Erschienen in:
How to Art – 12. Okt. 2018