„Auf lange Sicht sind wir alle tot.“ Ich zitiere den wichtigen Wirtschaftsforscher und Ökonomen, John Maynard Keynes. Er sprach 1939 in einem Interview davon, dass in wirtschaftlich schwachen Zeiten, Krisenzeiten gar, der Staat mit Geld einspringen müsse, denn in diesen Zeiten funktioniere der freie Markt nicht mehr. Er war der Auffassung, dass niemand wirklich prognostizieren könne, wie die fernere Zukunft aussehe und widersprach der allgemeinen Lehre des sich selbst regulierenden Marktes. Er sagte zwar, dass niemand genug Weitsicht haben könne wirklich in die Zukunft zu blicken, war mit seinen Theorien und Aussagen damit so modern, wie kaum einer unserer Zeitgenossen. Angeblich unwissend, nehmen seine Theorien ca. 100 Jahre später richtig Fahrt auf. Van Gogh winkt aus der Ewigkeit und weiß wovon ich rede, Mozart ist Jenseits-Milliardär, Bram Stoker hätte Dracula als Trade Mark eingetragen und regierte die Welt, gäbe es das Limit der irdischen Existenz nicht.
Auf lange Sicht sind wir also alle tot. Die Ewigkeit erwartet uns. Ich kam neulich zu der Erkenntnis, dass die Ewigkeit der Normalzustand ist und das Leben die kurze Ausnahme. In Wahrheit sind die Meisten immer tot. In dieser kurzen Ausnahmesituation „Leben“, können einem schon mal die Sicherungen durchbrennen. Man ist das Leben ja nicht gewöhnt. Es dauert lange, bis man sich darin einfindet und mancher benimmt sich wie ein Inkarnationsverweigerer. Und dann ist der Spuk auch schon fast vorbei, wenn man grade den Ausnahmezustand als „normal“ begriffen hat. Nichts ist nach der Geburt, wie es vorher war, fragt die Mütter UND die Babys.
Die Kunst strebt die Ewigkeit im Diesseits an, wissend, dass wir hier begrenzten zeitlichen Spielraum haben. Die Kunst will Ewigkeit, so wie die Liebe. ES soll uns überdauern, aber gleichzeitig im Jetzt Erfolg und Glück bringen. Viel verlangt für ein bisschen Menschsein, für das bisschen Gefühl, für das elend bisschen Weg hier auf der Erde.
Gärten und Gartenkunst geben einem eine vage Sicht auf Unendlichkeit und Ewigkeit. Lehren uns Demut und Achtsamkeit. Unsichtbares, verborgen als Keim oder Knolle, gesetzt im Frühjahr letzten Jahres, im Kopf eingeplant, doch noch nur eine Lücke, die sich, wenn alles aufgeht im Folgejahr, im Folgeleben schließt. Wer das ganze Werk bewundern will, muss langen Atem haben. Manches wird von den Enkeln erst richtig erkannt, die Weiden, die sich auf den Bildern der Omas und Opas noch zierten, stehen nun als kleiner Wald gegen die Sicht der Nachbarn und Reiher nutzen sie als Aussichtsplattform. Auf lange Sicht kann niemand klarsehen. Auf lange Sicht sind wir tot.
Stanley Kubricks Filme, magische Funken in dem ewigen Dunkel, auf lange Sicht verändern sich nicht die Filme, aber der Zuschauer altert und ändert die Sicht und erkennt doch zu jeder Zeit, die für diesen Lebensabschnitt geltende Qualität. Fand man vielleicht beim ersten Mal Eyes wide Shut sehen, die dargestellten Sex- und Nacktszenen erfrischend skandalös, bleibt man jetzt vielleicht eher bei den Eheauseinandersetzungen hängen, weil sie einen an die eigenen sinnlosen Gesprächsverläufe erinnern, an denen man letzthin öfter teilnahm. Die Sexszenen hingegen scheinen aus heutiger Sicht skandalös, weil die Damen noch Schamhaar zur Maske tragen.
Deshalb je länger, je lieber. Plant man den schnellen Erfolg, das schnelle Absahnen, die schnelle Nummer, dann wird das nix mit der Ewigkeit. Nachhaltigkeit und Achtsamkeit heißt nicht nur Umwelt ok, es heiß auch die sogenannten Ewigkeitsschäden vermeiden. Bitte auch in der Kunst!
Wenn ein Bergwerk schließt, müssen nicht nur die Bergleute irgendwie weitervermittelt oder umgeschult werden, die Gruben zugeschüttet, die Stollen geflutet, die Maschinen verschrottet werden, nein, es gilt für Generationen die Schäden zu beheben, die entstanden sind und entstehen werden, wenn Häuser Risse bekommen und Grundstücke eine Etage tiefer absacken. Die Ewigkeit hat Schaden genommen. Die Welt ist nach einem Ereignis auf Immer und Ewig eine andere als vorher. Jeder Maler würde freudig erregt sein, hätte sein Bild, das grade am Entstehen ist, diese durchschlagende Wirkung. Die Zeit vor Harry Potter war eine andere als danach und nie mehr werde ich eine Wassermelone durch die Innenstadt tragen können, ohne dass (meistens) Frauen jubeln: Ich habe eine Wassermelone getragen!!! Nobody puts Baby aside…
Die Ewigkeit kann Schaden nehmen an schlimmen Liedern oder schrecklichen Menschen. An falschen Entscheidungen und falscher Tongebung. Kunst kann vernichten helfen und aufbauen. Alles vor dem Kopfschuss von Kurt Cobain war anders. Er hat den Ausnahmezustand nicht lange ausgehalten, aber für uns epische Musik hinterlassen. Niemand weiß heute noch, dass Teen Spirit ein Deo für Jugendliche war, oder?
Das Zeichen für Unendlichkeit ist eine liegende Acht. Acht wie in Achtsamkeit. Alles kommt wieder. Nichts endet. Achtsamkeit mit unserem Karma, Achtsamkeit mit uns und der Welt in der wir für diesen Moment in der Unendlichkeit wandeln dürfen. Achtsamkeit, mit wem wir diese Zeit verbringen, Achtsamkeit, wem wir diese Zeit schenken, womit wir sie ausfüllen und was wir hinterlassen wollen. Meinen Kindern versuche ich beizubringen, nicht nur den eigenen Shit vom Strand mitzunehmen, sondern auch den der schon da war, als man ankam.
Unternehmen können anfangen damit, nicht nur aufzuhören mit Fußabdrücken in der Ewigkeit, sondern anfangen die schon gemachten zu entfernen. Das geht. Die Ewigkeit dankt.
It ´s the end of the world as we know it, daher die Frage:Werde ich die Welt besser oder schlechter hinterlassen? Wäre ich ein Virus bleibt die Antwort der Ewigkeit vorbehalten.
Wäre ich Dieter Bohlen…
Erschienen in:
How to Art – 11. Sept. 2020