Lindley Lindenberg

Sollte es mich noch einmal allein nach Frankfurt am Main verschlagen, dann werde ich auf jeden Fall ins Lindley Lindenberg zurückkehren. Am Hafen gelegen und versteckt zwischen den Burgen der Neuzeit, steht der dunkle schmale Glasturm. Man übernachtet nicht nur einfach in einem Hotel, man ist Teil einer Communtity, aber so unaufdringlich, dass man sich cool und „dabei“ fühlt. Irgendwie zeitgemäß. Sensationelles Essen, nachhaltig und regional zum großen Teil selbsterzeugt, Gemeinschaftsküche statt Minibar, mit Strichliste, was man verbraucht hat, WG like, aber bei Leuten, bei denen man sich entspannt und gut fühlt, Wasserspender statt Flaschenware, toller Balkon, grün bewachsen, eine schicke Bar und dann bekommt man den ganzen Tag diese wahnsinnigen Avocado-Brote unten im Bistro. Restaurant und Bistro sind zwar voll eingebettet ins Konzept des Hotels, aber trotzdem öffentlich, wieder diese entspannte Atmosphäre, langer Holztisch, Kunstmagazine zum Lesen, veganer Kuchen und Bowls, Salate und eben diese AVOCADO-Brote. Ich mag eigentlich gar keine Avocado. Tolle Kunst an den Wänden und extrem nette Mitarbeiter. Das Essen im Restaurant natürlich vegetarisch, regional und größtenteils selbsterzeugt, but BOY OH BOY, so gut und mit jedem Bissen fühlt man sich mehr von dieser Idee überzeugt, dass Nachhaltigkeit eben doch extrem cool ist und megasexy. Neben der Rezeption hängt ein kupfernes Schild mit klarer Ansage, wer hier nicht willkommen ist. Ne, die mag ich auch nicht, die von der AFD und die Schlachthausbesitzer… Ein Haken hat es. Nein, wirklich nur einen Haken. Die Zimmer sind stylisch eingerichtet ohne wirklich Stauraum für Klamotten. Und man muss sich schon sehr, sehr mögen, wenn man als Paar anreist, denn die Klokabine mitten im Zimmer, zeigt mehr mit ihren Plexiglasscheiben und der roten Kunststofftür, als sie verbirgt. Töne inkludiert. Erinnert dann doch an die ausgehängten Klotüren in der Kommune 1. Kein Grund jedoch, den Aufenthalt nicht zu genießen. Das Frühstück überrascht, denn man bekommt diese Weckgläschen mit Marmelade und Brotaufstrich, dieses selbstgebackene Brot, für das sich allein die Anreise lohnt und Porridge mit Beeren und Nüssen. Und erst denkt man: Nanu? Nach der ersten Scheibe Brot denkt man: Puh… viel… und dann denkt man überhaupt mal nach, wieviel man eigentlich so braucht und wie gut wäre, wenn man immer so leben würde…

Erschienen in:
Global Diary,
ICON Magazine – 31. Okt. 2020