Making of the Power of Love Making

 

Es war einmal eine kleine Meerjungfrau, die hatte nie wirklich Glück gehabt im Leben. Sie wünschte sich, ein Mensch zu sein, weil nur Menschen eine unsterbliche Seele haben. Und wer will schon zu Meerschaum werden, statt in den Himmel zu kommen? Natürlich verliebte sie sich auch noch in den schönen Menschenprinzen. Aber der sich nicht in sie. Die Meerhexe erzählte ihr, dass ihre einzige Chance Mensch zu werden sei, Beine zu kaufen, die sie ihr anbot, um dadurch die Liebe des Prinzen zu gewinnen. Zwei Beine zum Preis von 1 Stimme und dem Gefühl auf Glasscherben zu gehen bei jedem Schritt. Teuer! Und dennoch, rutschte sie beim Prinzen in die üble Friend-Zone und der sah in ihr nicht mehr und nicht weniger als eine hübsche Spielgefährtin. Und dann verliebte er sich auch noch in eine Andere, und obwohl sie alles für ihn aufgegeben hatte und ihn sogar aus den Fluten des Meeres vor dem Ertrinken gerettet hatte, nein, heiraten wollte er die andere Frau. Das kleine Meerjungfrauen-Herz drohte zu brechen. Die Meerhexe, die ihr schon den Deal mit den schmerzenden Beinen und der Stimmlosigkeit eingebrockt hatte, sagte ihr, ihre aller-ALLER-letzte Chance doch noch eine menschliche Seele zu erhalten sei, die beiden Liebenden zu töten. Sonst hätte sie leider kein Foto für sie. Das sollte ihre einzige Möglichkeit sein ihren Traum von Unsterblichkeit zu verwirklichen?

Ich weiß wirklich nicht, wie ich es ihr beibringen soll, dass sie es nicht auf das Cover der ICON geschafft hat? Nicht, dass sie mich auch noch tötet…

Aber von Anfang an:

What a Year! Jeder Drehbuchschreiber, der sich dermaßen beim Schreiben Story mäßig so vergaloppiert hätte, wäre postwendend auf der Straße gelandet, mitsamt seinem Skript, wegen extremer Unglaubwürdigkeit. Mancher Hollywood Regisseur hätte vielleicht noch gezögert, wäre das Drehbuch nur so bis Mitte des Jahres gegangen, gab es doch unlängst einen ähnlichen Film, „Pandemic“, indem sehr genau all diese Ereignisse vorrausgenommen worden waren, inklusive Fledermaus und Aluhutdemonstrationen. Doch spätestens ab Skript Seite 101: „November, Szene 12: Zweite Welle/ USA Wahl“, da wäre sogar Herr Emerich aus der Kurve geflogen. Der Film geht weiter während ich schreibe und „Der Untergang“ wirft seine Schatten voraus. Aber the Show must go in USA und ich bestehe da auch ein Stück auf mein Entertainment. Egal, wird irgendwie miteingearbeitet in das Drehbuch am Ende. Und da es KEIN schlechter Film ist, in dem wir nur Haupt oder Nebendarsteller sind, wir sehr deutlich die Verletzlichkeit aller Systeme und Körper, des Lebens und unserer geschaffenen Umwelt spürten, wir merken, dass es tatsächlich auf jeden Einzelnen ankommt, wenn man gesellschaftlichen Zusammenhalt meint und dass der wichtigste Faktor unsere sozialen Kontakte und unser soziales Netzwerk ist. Wie sehr man sich in Krisenzeiten auf die ältesten und besten Freunde verlassen kann. Wie unaushaltbar sonst dieses Jahr gewesen wäre, ohne meine persönliche Filterblase, aus größtenteils zwar systemirrelevanten Menschen, die aber trotzdem, oh Wunder, oh Wunder genau die Menschen sind, die am aller besten brainmäßig durch dieses Jahr gekommen sind. Denn die Gehirne der Menschen sind auch fragil. Und die Hälfte der Menschheit, wenn mit dem Internet in Kontakt, scheinbar gar nicht klarkommt mit den Bits and Bites, die da auf ein schwächelndes und schlimm ungebildetes Cerebrum einprasseln. Dieses Jahr hat den differenziert denkenden Hirnen einiges abgefordert. Marathon Denken bis zur Erschöpfung und dann eine für sich und die Angehörigen stimmige Haltung finden und zur Not gleich wieder überdenken und der sich ständig ändernden Situation anpassen. Viel verlangt von Menschen die Meinung mit Wissen, Denken mit Wut und Homöopathie mit ganzheitlicher Medizin verwechseln.

Meine Liebsten sind Menschen denen die Aluhutfraktion und oder die Hysteriker-Front den Witz, den Mut und die Liebe zum Leben nicht nehmen konnten. Und die zwei drei Ärzte mit ihrem furztrockenen Humor, die im engsten Freundeskreis für Ruhe und Ordnung sorgen, sind nicht nur körperlich heilsam. Und natürlich, wir Frauen. Lo and behold, wir schaffen das ja immer irgendwie so. Haushalt, Haare, Zoommeeting, Essen, Job, Kinder bespaßen, erziehen und Mathe beipulen. Lehrern die magische Welt der Lern-Apps nahebringen. Das Bildungssystem kurz evolutionieren, indem man mit verwirrten Klassenlehrer*innen, die Vor und Nachteile vom Zoommeetings erörtert. Manche Ehe wurde überdacht und sicher gab´s auch Post- Quarantäne- Trennungen. Kinder bekommen zu haben wurde als Schnapsidee entlarvt unter vielem anderen wegen diesem furchtbarem „Homeschooling“, und da hat man sich witziger Weise auf das Englische Idiom geeinigt, weil HEIMSCHULE echt schlimm klingt. Ist auch echt nicht witzig. Droht es uns jetzt doch wieder, dass die Ferien evtl. ein bisschen verlängert werden, bis Ostern oder so. Aber EGAL, Raute machen, Schultern entkoppeln, tief in den Schlüpfer atmen, Mundwinkel lockern und: „Wir schaffen das!“ in das zentrale Chakra murmeln. Und ja, sobald die f…ing Impfung da ist, her damit! Stich mich! Ich will wieder tanzen gehen.

Wo war ich? Ach ja:

Und da begab es sich dieses Jahr die Zeit, da mussten die Menschen kreativ werden. Und es machten sich kreative Köpfe all überall auf gedankliche Reise, wie man denn nun diese Zeit des Shutdowns oder Quarantäne, wenn Veranstaltungen auf dem gesamten Globus eingestampft werden, immer noch irgendwie nutzen kann. Das Traditionshaus Dior zum Beispiel. Ja, wenn man weiß wieviel eine Haute Couture Schau kostet all in, dann weiß man, dass man davon auch einen Spielfilm drehen könnte. Das haben sie dann auch gemacht.

Und da war sie die kleine Meerjungfrau. Glücklich planschte sie mit ihrem herrlichen Fischschwanz durch den Fluss. Moment… Fluss? Gibt es Flussjungfrauen? Egal, die Pagen des Hauses Dior brachten ihr die Miniaturschneiderpüppchen, denen die Haute Couture Modelle der Herbst Winter Kollektion vortrefflich auf den Miniaturleib geschneidert worden waren. Die kleine Meerjungfrau verliebte sich in ein zauberhaftes Kleid und schwamm fortan in jenem Traum aus Seide durchs Wasser. Und wer dachte, dass ein Fischschwanz schon unpraktisch ist, der sollte mal versuchen in Haute Couture durch den Bach zu paddeln.

Aber wie elegant man eben mit Krisen umgehen kann. Die Krise als Chance für Neues oder auch ganz alte Ideen, denn das Schneidern von Miniaturmodellen in den Originalstoffen an diesen Miniaturschneiderpuppen hat Tradition in Kriegs- und Krisenzeiten. Und wir können uns einfach kurz hinwegträumen.

Und so entstand auch das Titelbild. Inspiriert durch Diors wunderbaren Haute- Couture Film und Terry Gilliams Legetrick in „Life of Brian“, begann ich meine Collage mit dem Bildnis einer Meerjungfrau. Ich war sicher, dass sie mich auf irgendeine magische Meerjungfrauen Weise zu meinem fertigen Bild führen würde. Und dass das Wasser auf jeden Fall das verbindende Element sein würde. Der Fluss des Lebens, das Wasser aus dem wir alle stammen. Aber tatsächlich dachte ich an die Liebe während ich noch zeichnete. Und die Liebe zur Welt und den Menschen darin.

Wie wird es nur werden dieses Weihnachten, dachte ich bei mir, das Fest der Liebe und Leiber, werden wir uns doch nicht aufmachen können und alle in unsere Heimatstädte reisen... und ich fügte der Meerjungfrau gedanklich noch eine Maria mit dem Kinde hinzu. Die eine Story in der Bibel, die von so erhabener Schönheit ist, so unglaublich aktuell in einer Zeit wie der unsrigen. Und was sie erzählt über die Geburt und die Hoffnung in finsterer Nacht. Denn es wurde uns ja nicht nur ein Heiland geboren in dieser Nacht, es wurde uns auch eine Mutter Gottes geboren. Sie ist die eine Göttin, die für uns Frauen da ist. Aber sie verdient es in Couture zu erscheinen. Und sie verdient einen ordentlichen Kerl an ihrer Seite. Joseph an sich kam ja immer etwas blässlich daher. Nein Maria, Du bekommst dieses Jahr einen Sexgott an deine Seite, der Winter ist ja noch lang und die sexlose Empfängnis ist ja auch eher mythologisch gemeint gewesen, oder so. Also fing ich an mein Krippenspiel zu bauen, so, wie wir immer am Tag vor Heiligabend die alte Krippe meiner Familie aufbauen und jedes Jahr Figuren dazustellen, (denn wer sagt denn, dass die Schleich-Krake NICHT dabei gewesen war? Oder der 4. Weise aus dem Morgenland?) entstand meine Heilige Nacht. Und die Drei (genderneutralen und diversen) Holy Queens aus dem Morgenmantel, die da noch auf ihre Couture warten, aber im Accessoire Bereich schon gut beschenkt wurden, kommen sie dieses Jahr eben auch nur in Miniatur und vielleicht via Skype zu Besuch. Hoch über allem thront das Haus Gottes oder Diors, mit Engelswachen, indem Gott sei Dank immer Licht brennt und Wunder erschaffen werden. Zum Beispiel das Wunder der heiligen Nacht, wenn Soldaten aus den Gräben steigen und für einen wunderbaren Moment die Waffen schweigen und ein Lied die Dunkelheit erhellt. Stille Nacht, heilige Nacht. Wenn wir uns für diesen kurzen Moment an einem Ort versammeln, auf diesem tausende Jahre alten Zeitstrahl, irgendwo zwischen Kindheitserinnerungen, den eigenen Lifegoals, aktueller Lebenssituation und der deutschen Fichte.

Ich widme diese Zeilen und das Bild auf dem Cover all jenen, die ein wenig Haute-Couture-Feeling, ein wenig Märchen-Magie und Dark-Humor, viel Liebe und Hoffnung und eine große Portion Peter Steele gebrauchen können.

Und der kleinen Meerjungfrau, die es nicht aufs Cover geschafft hat. Der kleinen Meerjungfrau schenke ich dieses Jahr das Wunder der Selbstliebe. Mögen ihr die Schuppen von den Augen fallen, dass sie keinen Prinzen braucht, der ihre wunderbare Liebe nicht erwidert. Jesus Christ! He is just nor that into me, sagte sie sich und schaute in den Spiegel. Er hat mich auch nicht gebeten alles aufzugeben.

Die kleine Meerjungfrau dachte nach und dann sagte sie, dass sie mal schauen wolle, ob sie sich vielleicht durch ihre Taten unsterblich machen könne. Sie wolle in die Politik gehen, Wale retten, die erste demokratisch gewählte Meerfrau Präsidentin werden. Man werde sehen, wie viele Meerjungfrauen ihrem Beispiel folgen würden. Die Hexe zog sich muffig zurück und verkaufte ab da nur noch Timesharing Häuser an Seeschnecken. Die Meerjungfrau erlangte Weltruhm indem sie die Meere zu einem Gesamtschutzraum erklärte und die industrielle Fischerei abschaffte, eine Technik entwickelte, die die Polkappen vor dem Schmelzen rettete und hatte ein Reihe Beziehungen zu verschiedenen Männern und Frauen bis sie mit Anfang 40 den Meermann ihres Lebens traf und sich ins Privatleben zurückzog mit ihm und ihren drei Kindern aus verschiedenen Ehen. Und so lange wir sie nicht vergessen, lebt ihre Seele weiter.

Merry Christmas to ALL the creatures big and small. Love you all.

Legende

Wer ist meine Maria? Model Maria Borges, aufgewachsen in Angola während des Bürgerkriegs. Sie tragt das Kleid „Dorothea“ aus der Dior Haute-Couture Kollektion 2020/21.

Wer ist mein Joseph? Peter Steele oder Petrus Ratajczyk, der in New York geborene Sänger der Band „Type O Negative“. Die perfekte Ambivalenz zwischen Pagan und Christ. Starb er doch leider viel zu früh als gläubiger Katholik. Er trägt eine Vintage Leoparden Druck Jacke, because he can.

Wer sind die heiligen drei Königinnen?

Sie sind die diversen, genderneutralen Gesichter der Schiaparelli Kampagne und die Queen Elisabeth II. sie tragen Accessoires von: Chanel (Kronen), Schiaparelli, Prada, Dior und Saint Laurent

Wer sind meine Engel? Divers und genderneutral sind sie die Gesichter der Dior Männer Kampagne. Sie tragen Dior Mäntel.

Wer ist im Hause Gottes? Maria ist im Haus und erschafft Wunder und lädt uns zum Träumen ein. Danke Maria Grazia Chiuri

Erschienen in:
How to Art – 24. Dez. 2020