Die Hände, die ein altes Ölgemälde behutsam von Staub und Zeit und falscher Behandlung und vergilbter Firniss befreien, diesen meisterhaften Fertigkeiten zuzuschauen, macht mich zur Zeit glücklich… bewahren und konservieren, aufarbeiten und aufheben.
Ich werde versuchen meine kruden Gedanken, die sich mit Autos und Kindern und Design und Handwerk beschäftigen sinnvoll und sinnmachend in Reihe zu bringen.
Der Frühling ist da, soviel ist klar. Aber das war nicht, was ich schreiben wollte, aber es ist schön.
Meine Kinder interessieren sich nicht für Autos. Das ist schlimm- nur für mich ganz persönlich, obgleich dies sicherlich andere als erziehungstechnisch geglückt sehen. Meine Kinder zucken müde mit den Schultern, wenn ich von Zeiten schwärme, wenn sie soweit sind, MICH überall hin zu fahren. Wenn ich ihnen ein Auto verspreche, wenn sie nicht anfangen zu rauchen bis sie 18 sind, dann schauen sie mich ausdruckslos an und fragen ob sie lieber ein neues Handy haben dürfen- stattdessen. Statt eines Autos!? Hallo?!
Ich schaue nostalgisch verliebt einem Porsche-Hintern hinterher und irritiere mich an einem weiteren Porsche Hintern, der einem kleinen SUV gehört… und komme mir alt vor. Albern alt, weil ich mal autogeil war und mich an Wochenenden über Oldtimer-Car-Shows schob und amerikanischen Bezinschleudern bewundernd über den Lack streichelte. Dem Sound eines Sportmotors, der über die Autobahn brommt, immer noch ein Lächeln schenke. I like cars! Autoaffin, da steckt die Äffin schon im Wort. Autos waren mal die Krone der industriellen Schöpfung. Jetzt scheint das Thema erschöpft und ich brauche eigentlich ein neues Auto, weil mein Audi bald mit den Füßen nach oben in der Einfahrt liegen bleiben wird. Da hilft ihm auch kein Vorsprung durch Technik, wenn überall Öl rausläuft und ich auch nirgendwo mehr mit dem tollen Technik-Typ fahren darf. Aber mir ist nicht mehr danach. Nach neuem Auto. Irgendwie ist das alles ungeil geworden. Dieses permanente schlechte Gewissen, das neben mir auf dem Beifahrersitz hockt und pausenlos an mein Umweltbewusstsein sendet. Da versteht man ja den eignen 12 Zylinder nicht mehr.
Ich fahre fast soviel Auto, wie ein Staubsaugervertreter. Meine Versicherung stuft mich irgendwo bei Berufsfahrern ein. Ich zahle echt viel Geld fürs Autofahren. Ich fahre megagut Auto. Ich parke auf eine Briefmarke einen VW-Bus ein. Ich liebe Autofahren, Tankstellen, Roadmovies, Autobahnen, Landstraßen, fahre immer ein bisschen zu schnell, habe aber nie deswegen den Lappen abgegeben… Erinnerungen werden wach. Mein erstes Auto mit Loch im Auspuff. Diese unendliche Freiheit. Fahren mit der Punkband durchs Ruhrgebiet in den Neunzigern. Das Gefühl ein rotes Auto in der Sportvariante zu besitzen machte mich automatisch zu etwas Sportlichem. Später kam Pferd und Allradantrieb. Mein autotechnischer Höhepunkt war ein Audi A 5 in Weiß und 250 km/h auf der Autobahn. Ein schöneres Auto werde ich nie besitzen. Dauerte auch nicht lange, dann kamen die Kinder und der Kombi.
Ein neues Auto kaufen war wie sich neu verlieben. Ich hatte jedes Mal Schmetterlinge im Bauch. Jetzt sind das nicht mal mehr Kellerasseln, die sich da spüren lassen. Es liegt nicht nur an der Umwelt, es liegt an der ganzen Autoindustrie und den überfrachteten Designs und Ausstattungen, die kein Mensch mehr durchblickt. Autos sind seltsam geworden. Ich trau denen nicht mehr. Ich trau keinem mehr so richtig, der mit Autos sein Geld verdient.
Neulich sprach ich mit einer mir bekannten Mutter, deren Kind nun nach vielen vergeblichen Versuchen eine Lehre zu machen- im Pflegebereich- nun doch endlich irgendwas mit Design studieren wollte. Ohne Abitur zu haben. Oder Erfahrung. Oder je einen Strich gezeichnet oder sonst was Kreatives getan zu haben. Und das ging wohl sogar… Ich mache mir Sorgen. Sind das die Leute, die mir schon jetzt meine Autos bauen? Und designen? Oder mein Gehirn operieren, wenn ich ein neues brauche, weil meins zu alt ist für meinen restaurierten Körper…? Mit müden Augen… und müden Händen, die viel lieber Blogger werden wollen oder Influencer. Ohne Liebe.
Bilder restaurieren ist eine mindestens so große Kunst, wie sie selber zu pinseln. Ein Restaurator muss ein unendliches Wissen besitzen über Werkstoffe, Zusammensetzungen, Arbeitsweisen, Farbempfinden, Kunstfertigkeit, Kunstgeschichte und Liebe. Ganz viel Liebe muss er haben. Und dann kommt auch noch handwerkliches Können und Geschick. Als der Maler selbst noch dieses Wissen haben musste, um sich Maler nennen zu dürfen, da hat das funktioniert mit dem Restaurieren, weil der Restaurator wusste, was der Maler wusste. Wissen dies heutige Kunststudenten noch? Wie man eine Leinwand vorbereitet und mit Lasuren und Tierleimen und Schelllack umgeht und eine Firniss aufträgt? Damit das Zeug auch noch in 200 Jahren gut aussieht? Wissen heutige Designstudenten noch, dass Dinge auch altern und dass man sie pflegen und aufbereiten können sollte. Auch ein Auto altert heute ganz anders. Sie gehen kaputt und niemand will sie mehr haben. Dieser ganze Technik Schnick- Schnack ist dann so sinnlos und so yesterday, den packt doch kein Mensch mehr an. Ist das nachhaltig? Alte Autos strahlen diese Würde aus, geliebt und gepflegt, einfach und perfekt. Man verzeiht ihnen ihre Umweltbilanz, weil sie selten gefahren werden und so schön sind. Ist vielleicht wie mit alten Häusern. Wenn erstmal alle Umweltauflagen im Neubau erfüllt sind, wird man feststellen, dass das in 30 Jahren alles Sondermüll ist und sich nach einem alten Haus umsehen, mit dicken Mauern und zugigen Türen, doch man verzeiht es ihm, denn es sieht einfach so schön aus. Das alte Haus.
Hab grade ein sehr altes Haus gekauft. Suche jetzt ein altes Auto. Fühle mich designtechnisch alt aber gepflegt. Bespreche jetzt mit den Kindern die Restauratoren Lehre und hoffe, dass sie nicht anfangen zu rauchen, bis ich 80 bin.
Erschienen in:
How to Art – 19. Dez 2019