There is no place like home

Ja, nu´ ist rum, das Jahr, also ist´s Zeit für gute Geschichten.

Die Winde brausen um die Frisur, und es ist nass, kalt und gar noch nicht feierlich. Im Innern sehnen wir uns nach Wärme und Licht, zuhause sein.

>Der Sommer war groß und auf den Fluren lass die Winde los…< schrieb einst Rilke. Passend, denn welcher Winter soll uns diesen Sommer ersetzen? Fast schon fragt man sich, ist mit diesem Sommer vielleicht auch ein Stück heile Welt zu Ende? Allerorts steht den Damen und Herren in den Dogenpalästen das Wasser bis zum Hals, und es soll nass und nasser werden. Frau Merkel nimmt bald ihren Hut und auch da friert es mich, wenn ich an den darauffolgenden Winter denke.

Unlängst sah ich den „Zauberer von Oz“ in der komischen Oper zu Berlin. In Berlin. Und da wurde es mir wieder klar: Eine Frau kann alles schaffen mit den richtigen Schuhen.

Ausgestattet mit gutem Schuhwerk, einer klaren Emotion und aufgeräumter Semantik, kann eine Frau auch große Zauberer, böse Hexen, verzauberte Halblinge und dusselige Mitstreiter in eine gute Zukunft führen. Unbestechlich und ohne falsche Angst. Wir müssen unseren Töchtern nur beibringen, die mutlosen Löwen, herzlosen Zinnmänner und hirnlosen Vogelscheuchen nicht mit tollen Hechten zu verwechseln und sich immer auf ihren eigenen Verstand, ihr eigenes Herz und ihre eigenen Mut zu verlassen. Sogar der große Zampano OZ wird dadurch enttarnt und reist ab.

Und nun ist es ja klar, wo die Reise hingehen muss. Nein, nicht nach Kansas- naja, noch nicht- wir müssen sie (er)schaffen, wieder - wo waren sie nur all die Jahre? Rollen-Modelle. Eine coole Forensikerin in einer amerikanischen Serie und schon studieren mehr Frauen Forensik. Eine coole FBI-Agentin und schon bewerben sich mehr Frauen beim FBI. Eine coole Kanzlerin und schon nimmt die Frauenbewegung insgesamt Fahrt auf. Ergo: Einfach mehr coole Mädchen als Leader in Geschichten und Märchen, bitte. Niemals nie darf man die Wirkung von Vorbildern unterschätzen. Schluss mit den doofen Prinzessinnen, Elfleins und Püppis, die auf Rettung warten und nicht wissen was sie anziehen sollen. Schluss mit ewigen Make-up-Tutotials. Ohne Schuhe und ohne Make -Up fangen die tollsten Reisen an! Mehr Mut, mehr Mädchen, mehr Dorothys. Wir müssen zeigen, wie es geht, es vorleben.

Wenn ich früher die Schmuckschatulle meiner Oma öffnete, dann reiste ich wohin mich meine Träume trugen. Allerdings war ich nie eine schöne Prinzessin, die sich mit Schmuck behängte, nein, ich war ein Dieb. Der Dieb von Bagdad. Oder Ali Baba. Manchmal war ich auch ein Mädchen aus einer anderen Zeit. Reiste an ferne Orte. Erlebte Abenteuer. So wie Tamino mit der Zauberflöte, die wilde Tiere bändigte, so war der Ring verzaubert, die Kette magisch, die Brosche lebendig. Ich war ein Kind aus einer anderen Zeit. Das erste Mal, als mir erzählt wurde, ich könne nicht Tarzan sein im Spiel, weil ich ein Mädchen sei, da war ich schon in der 3. Klasse und habe demjenigen herzlich ins Gesicht gelacht. Wie dumm ein Kind sein kann, habe ich gedacht. Ich kann ALLES sein, wenn ich nur will. Auch der Affe Cheetah.

Wenn Dorothy durch die Luft gewirbelt wird und im Land OZ ankommt, dann hat sie nur einen Herzenswunsch: Wieder zurück nach Hause. Sie trägt ihre Heimat mit sich und erlebt die tollsten Abenteuer und entzaubert und rettet und gewinnt und doch will sie am Ende nur eins: Nach hause, nach Kansas. Das ist die schlichte und deshalb große Wahrheit. Sie weiß, wer sie ist und deshalb ist sie so stark und mutig. Übertrage ich dies auf die Wirbelstürme unserer Zeit, dann kann ich nur hoffen, dass es genug große Mädchen mit guten Geschichten im Rücken gibt, die sich den Zinnmännern und Vogelscheuchen und Munchkins und unechten großen Zauberern in den Weg stellen.

Leider kann es bei allzu großen Abenteuern passieren, dass die Perlenkette von Oma reißt, ein Ring vom Finger rutscht und gesucht werden muss. Der Ring der Macht musste ja schließlich in den Feuerberg geworfen werden. Ich hatte eine coole Oma, die hat das verstanden und war nicht böse. Sie half mir die Perlen einzusammeln und erzählte von einer anderen Zeit, anderen Orten, von Krieg und Zerstörung. Sie erzählte mir von den vielen „Dorothys“, die sich allein auf den Weg gemacht haben, flohen, und egal, was sich ihnen in den Weg stellte, sie alle wollten nur eins: So schnell, wie möglich wieder nach Hause. Dabei war unter anderem dieser eine Ring, der Ur-Großmutter. Versteckt unter der Matratze des Kinderwagens. Wenn sie ihn betrachte, dann sehe sie ihre Mutter vor sich. Da soll doch noch einer sagen, das sei kein magischer Ring.

Ich glaube, es stürmt draußen, ich geh mal raus und schaue nach…

Komm´ To-To…

Erschienen in:
How to Art – 19. Dez. 2019